Interview mit der Plastischen Chirurgin Dr. Petra Berger (Frankfurt am Main und Zürich), die sich seit Jahren intensiv mit Genitalchirurgie befasst. Sie spricht über Vorurteile und schmerzhafte Missverständnisse. Für Dr. Berger ist das Labium, also die Schamlippen, der am stärksten missverstandene Teil des weiblichen Körpers. In ihrer jahrelangen Praxis hat sie festgestellt, dass weniger als 15 Prozent ihrer Patientinnen kosmetische Beweggründe für eine OP angeben.
PdS:Vielleicht genießen Sie als Frau einen natürlichen Vorteil, um als Beraterin ins Vertrauen gezogen zu werden?
Frau Dr. Berger: Es gibt sicher auch einige Ärzte, die sehr gut auf frauliche Probleme eingehen können. Aber es stimmt schon, dass sich sehr viele Frauen bei mir als Ärztin einfach besser aufgehoben fühlen. Weil sie ihre Probleme freier schildern können und weil ich die anatomischen Feinheiten der Frau nicht nur aus medizinischer Sicht kenne.
Zumindest erklären meine Patientinnen immer wieder, wie wichtig es ihnen ist, von einer Frau operiert zu werden und dass mein gesamtes OPTeam rein weiblich ist. Denn es gibt einige Patientinnen, die ihre Genitalregion höchst ungern einem Mann zeigen.
PdS: Wie wird man - oder in Ihrem Fall: frau - denn Expertin für Genitalchirurgie?
Frau Dr. Berger: Es gibt in Deutschland keine spezielle Ausbildung. Ich bin Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Meine speziellen Kenntnisse in der Intimchirurgie habe ich in den USA, in Beverly Hills, und in Brasilien erworben. Dort ist man in diesem Bereich außerordentlich versiert, und ich konnte von den Besten lernen.
PdS: Was sind die nicht-ästhetischen Gründe, die einen Eingriff ratsam erscheinen lassen?
Frau Dr. Berger: Frauen können aufgrund von zu viel Gewebe Probleme bei der Verwendung eines Tampons haben. Außerdem kann der Urinstrahl abgelenkt werden, was wiederum Unannehmlichkeiten bei der persönlichen Hygiene nach sich zieht. Auch Tumorerkrankungen im Genitalbereich können rekonstruktive Maßnahmen erfordern. Viele denken, nur genitale Verstümmelung kann Anlass sein für einen intimchirurgischen Eingriff. Das stimmt nicht. Es betrifft den ganz normalen Alltag dieser Frauen. Es geht um ihr Wohlbefinden und um körperliche Funktionen. Optische Gründe sind definitiv zweitrangig. Deshalb geht es in der Genitalchirurgie meist um Operationen aus gesundheitlichen und funktionellen Gründen.
PdS: Daher sollten die Kosten für entsprechende Eingriffe von der Krankenversicherung übernommen werden. Und das geschieht bisher nicht?
Frau Dr. Berger: Nein, weil sie es als Ästhetik betrachten. In dem Moment da Versicherungen das Wort „Laser" hören, denken sie automatisch an Ästhetik. Sie sehen die Schamlippenverkleinerung generell als ästhetischen Eingriff an und gehen irrtümlich davon aus, dass Frauen sich ihr unterziehen, weil sie mit ihrem Aussehen unzufrieden sind.
PdS: Erzählen Sie uns von der umstrittenen Hymenrekonstruktion, die Sie auch anbieten. Warum fragen Frauen danach?
Frau Dr. Berger: Im Grunde gibt es zwei verschiedene Gruppen: Bei der ersten handelt es sich meistens um Frauen aus dem Arabischen Raum, die aus kulturellen und traditionellen Gründen Probleme bekommen können. Es wird erwartet, dass sie als Jungfrau in die Ehe gehen. Und dazu gehört die Hochzeitsnacht inklusive Blutfleck auf dem Laken.
Wenn nicht, kommt Schande über sie und ihre Familie. Deswegen sind viele dieser Frauen in ernsthafter Gefahr - auch für Leib und Leben. Wir respektieren diese Probleme und helfen wo wir können, denn jedermann weiß heutzutage, dass das Hymen nicht nur durch den Kontakt mit einem Mann, sondern auch bei einem Unfall, bei der Intimhygiene oder durch Sport verletzt werden kann. Viele haben auch keinerlei Aufklärung erhalten in punkto Sexualität und Schwangerschaft. Dadurch sind sie in Situationen gekommen, die sie einfach nicht absehen konnten. Die zweite Gruppe sind vergewaltigte Frauen, die ein sexuelles Trauma erlitten haben. Sie wünschen sich ihr Hymen zurück, damit sie wieder selbst die Wahl haben, zu bestimmen, welchem Mann sie sich zum ersten Mal hingeben möchten.
PdS: Sie bieten auch Vaginalverjüngung und -verengung an. Sagen Sie uns bitte auch darüber etwas.
Frau Dr. Berger: Grundsätzlich geht es darum, den Kanal der Vagina zu straffen, um dadurch das sexuelle Empfinden der
Frau (und ihres Partners) zu erhöhen. Außerdem behandele ich
damit die symptomatische Schwächung der Blase und des
Rektums.
PdS: Was ist denn Ihre gängigste Behandlungsmethode?
Frau Dr. Berger: Die Vaginalverengung. 40 Prozent von allen Patientinnen, die ich bisher operiert habe, erhielten eine Verengung und gleichzeitig eine Labienkorrektur. Es ist üblich, beides zusammen zu machen. Eine andere Behandlung ist mittlerweile auch sehr gängig. Leider. Es kommen zunehmend Patientinnen in meine Praxis, denen ich nach einer misslungenen OP rekonstruktiv helfen muss.
PdS: Intimchirurgie scheint eine richtige Leidenschaft von Ihnen zu sein?
Frau Dr. Berger: Ja, weil die meisten Ärzte dafür keinerlei Bedarf sehen. Sie haben sich nie die Zeit genommen, Frauen aus allen Bevölkerungsschichten zu befragen, um an verlässliche
Daten zu kommen. Ich habe schon mehrere hundert Frauen operiert, und ich habe sie alle befragt. Ein Thema liegt mir besonders am Herzen. Bei meiner Arbeit treffe ich immer wieder auf bemitleidenswerte Mädchen, die Opfer ritueller Beschneidungen wurden. Hier ist nicht nur
Nächstenliebe sondern konkrete Hilfe gefragt. Deshalb rufen wir gerade eine Stiftung ins Leben, die sich um karikative Projekte in diesem Bereich kümmert.
PdS: Frau Dr. Berger, was sind für Sie zusammenfassend die wichtigsten Ziele auf dem Gebiet der Genitalchirurgie?
Frau Dr. Berger: Vor allem, dass ein Umdenken stattfindet. Von der herkömmlichen Medizin werden Frauen mit sexueller Dysfunktion und Schamlippenproblemen regelrecht ignoriert. Bei diesen beiden wichtigsten Bereichen geht es um Komfort und Funktion, nicht um ästhetische Aspekte. Diese Unkenntnis führt zu vielen Missverständnissen. Da es keine Kostenübernahme durch die Kassen gibt, werden sie auch nicht operiert. Das ist nicht in Ordnung. Deshalb müssen wir den Menschen erklären, dass es sich um wirkliche Probleme handelt, die dank der modernen Genitalchirurgie erfolgreich behandelt werden können.
Letzte Aktualisierung am 04.05.2023.