Interview mit der Plastischen Chirurgin Dr. Petra Berger (Frankfurt am Main und Zürich) zu den Folgen mangelhafter Brustimplantate.
PDS: Frau Dr. Berger, die Brustimplantate der Firma Poly Implant Prothese (PIP) haben sich als riskant erwiesen. Halten Sie die Panik bei den betroffenen Frauen für verständlich?
Frau Dr. Berger: Laut Definition ist Panik eine intensive Angstreaktion auf eine tatsächliche oder angenommene Bedrohung. Wobei vor allem in den Medien sehr gerne - und sehr schnell - von Panik gesprochen wird. Kein Wunder, denn dramatisierende Berichterstattung verkauft sich viel besser als nüchterne Aufklärung. In Wirklichkeit handelt es sich bei den Betroffenen weniger um Panikverhalten, sondern um eine Reaktion auf eine extreme Belastungssituation. Eine Reaktion, die ich sehr gut nachvollziehen kann.
PDS: Was raten Sie denn den betroffenen Frauen?
Frau Dr. Berger: Wie gesagt, Panikauslöser ist entweder eine tatsächliche oder angenommene Bedrohung. Da helfen ein paar Fragen und Fakten weiter. Welche Frauen sind tatsächlich betroffen? Fakt ist, dass alle Trägerinnen von PIP-Implantaten betroffen sind. Ihnen wird von den nationalen Gesundheitsbehörden empfohlen, diese moeglichst bald entfernen zu lassen. Daraus ergibt sich die nächste Frage: Befindet sich in meiner Brust tatsächlich ein PIP-Implantat? Frauen, die das nicht wissen, können auf ihrem Implantat-Pass nachsehen oder sich diese Information bei ihrer Klinik oder ihrem Operateur holen.
PDS: Stellt sich die Frage nach den Kosten. Gibt es in Deutschland eine Übernahme der Kosten durch die Kassen oder eine andere Institution?
Frau Dr. Berger: Hier müssen wir unterscheiden zwischen den Kosten für die Entnahme der fehlerhaften Implantate. Es sind Verhandlungen im Gange, dass die Krankenkassen, ähnlich wie in Frankreich, die Kosten übernehmen. Anders sieht es mit dem Einwechseln neuer Implantate aus. Die Kosten dafür bleiben nach derzeitigem Kenntnisstand wohl an den Patientinnen hängen. Das hat mich dazu bewogen, eine derartige Austausch-OP zu einem fairen Preis anzubieten. Dieses Angebot mache ich auch Patientinnen, die ihr PIP-Implantat von einem anderen Arzt erhalten haben. Mir ist wichtig, dass diesen Frauen möglichst schnell und unbürokratisch geholfen wird.
PDS: Und was ist mit den Frauen, die Implantate anderer Hersteller tragen? Was raten Sie denen?
Frau Dr. Berger: Es werden seit vielen Jahren sehr zufriedenstellende Ergebnisse mit Brustimplantaten erzielt - von der Rekonstruktion nach einer Brustkrebs-OP bis hin zur reinen Brustvergrößerung. Eine signifikante Verbindung von Implantaten und erhöhtem Brustkrebsrisiko konnte bis heute nicht festgestellt werden. Wenn sich eine Frau mit ihren Implantaten wohlfühlte, bevor die PIP-Panik aufkam, hat sie keinen Grund, sich ihre Implantate jetzt entfernen zu lassen. Wie gesagt, wenn sie nicht vom Hersteller PIP sind.
PDS: Das ist doch eine klare Aussage. Dennoch die Frage: Wenn heute eine Frau zu Ihnen kommt und eine Brustvergrößerung wünscht, würden Sie ihr Silikon-implantate eines anderen Herstellers empfehlen?
Frau Dr. Berger: Es gibt ja noch einige andere Implantathersteller auf dem Markt, und ich denke, dass bei denen gerade jetzt sehr genau seitens der Aufsichtsbehörden hingesehen wird. Wenn ich dann noch meine sehr guten Erfahrungen aus den letzten Jahren hinzunehme, kann ich meinen Patientinnen auch heute noch zu einem hochwertigem Implantatprodukt raten. Gleichzeitig bin ich froh, dass ich schon seit Jahren eine alternative Behandlungsmethode zur Brustvergrößerung anbieten kann.
PDS: Die wäre?
Frau Dr. Berger: Die Brustvergrößerung mittels Eigenfett. Diese Methode kommt Frauen entgegen, die keinen Fremdkörper in ihrer Brust haben wollen. Dabei wird Fett an anderer Stelle des Körpers entnommen und anschließend um die Brustdrüse herum transplantiert. Diese OP erfordert allerdings größeres Know-how.
PDS: Dazu muss die Patientin aber auch eigene Fettpolster mitbringen, oder?
Frau Dr. Berger: Ja, das ist richtig. Wir können aber auch geringere Mengen entnehmen, anreichern und im nächsten Schritt zur Brustvergrößerung verwenden. Und dann hat die Patientin logischerweise auch kein Problem wegen Silikon.
PDS: Zurück zur momentanen Stimmung in der Bevölke-rung. Glauben Sie, dass durch den PIP-Skandal der Schönheitsindustrie ein längerfristiger Schaden entsteht?
Frau Dr. Berger: (lächelt) Nett, dass Sie sich darum sorgen. Aber im Moment liegt mir eine schnelle Lösung für die betroffenen Frauen viel mehr am Herzen.
Wir Ärzte sind von PIP genau so getäuscht worden wie die Zulassungsbehörden und der TÜV. In diesem Zusammenhang ist es ein Verdienst der Medien, darüber breit zu berichten und Missstände aufzudecken. Was wir nicht brauchen, ist Panik. Panik ist kein produktiver Prozess. Wir brauchen Lösungen. Und die heißt bei den betroffenen Implantaten schlicht und ergreifend: Austausch-OP. Was viele Frauen jedoch nicht wissen, ist, dass eine Austausch-OP deutlich einfacher vonstatten geht als die Erst-OP. Im Regelfall kann der Eingriff ambulant in weniger als einer Stunde durchgeführt werden. Diese wichtige Information vermisse ich zum Beispiel fast immer, wenn in den Medien über PIP geredet wird.
PDS: Was wäre also Ihr Fazit, Frau Dr. Berger?
Frau Dr. Berger: Mein Fazit beziehungsweise mein wichtigster Rat lautet: Jede Frau, die sich - ob begründet oder nicht - wegen ihrer Brustimplantate gesundheitliche Sorgen macht, sollte ihren Arzt aufsuchen und mit ihm eine vernünftige Entscheidung besprechen. Das ist sinnvoller, als sich von reißerischen Berichten verrückt machen zu lassen. Ich hoffe, dass sich diese Einstellung auch bald in den Medien stärker durchsetzt.
PDS: Vielen Dank, Frau Dr. Berger, für dieses Gespräch, das hoffentlich zur Versachlichung des Themas beiträgt.
Letzte Aktualisierung am 04.05.2023.