Dr. med. Stephan Günther ist Präsident der im Jahre 2010 gegründeten Deutschen Gesellschaft für Intimchirurgie und Genitalästhetik e.V.. Er erklärt, wie seine Organisation Patienten und Ärzten helfen möchte.
PdS: Herr Dr. Günther, Schönheitsoperationen sind in Deutschland in den letzten Jahren zweifellos im Trend. Welchen Stand hat die Intimchirurgie hierzulande?
Dr. Stephan Günther: Das Thema Intimchirurgie wird von den Fachgesellschaften noch immer stiefmütterlich behandelt. Themen rund um die Intimchirurgie waren bislang bei Ärztekongressen eher unerwünscht, Fortbildungsrichtlinien oder Bewertungen der Patientenzufriedenheit fehlten.
PdS: Noch Mitte 2009 riet die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe von intimchirurgischen Eingriffen ausdrücklich ab. Warum haben Sie nun eine Gesellschaft für Intimchirurgie und Genitalästhetik e.V. gegründet?
Dr. Stephan Günther: Trotz aller Warnungen sind die Operationszahlen in der Intimchirurgie in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Die Deutsche Gesellschaft für Intimchirurgie und Genitalästhetik e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, das theoretische und praktische Wissen rund um die Intimchirurgie, z.B. Operationstechniken, optimale Nachsorge, Vermeidung von Komplikationen etc., zu sammeln, kritisch zu überdenken und weiterzuentwickeln.
PdS: Welche Ärzte führen überhaupt chirurgische Eingriffe im Intimbereich durch?
Dr. Stephan Günther: Die Berufsausübungsfreiheit in Deutschland macht es möglich, dass jeder approbierte Arzt jede Operation anbieten kann - völlig egal, ob er sie gelernt, schon einmal bei ihr zugesehen oder nur von ihr gelesen hat. Neben Fachärzten für Plastische Chirurgie und Gynäkologie bieten mittlerweile auch Dermatologen, Hals-Nasen-Ohren- und Allgemeinärzte Schamlippenverkleinerungen an. Sogar ein Chirotherapeut wirbt im Internet mit Labienkorrekturen, G-Punkt-Unterspritzungen, Behandlung der Klitoris und „selbstverständlich auch Intimpiercing."
PdS: Den richtigen Arzt zu finden, ist also gerade im Bereich der Intimchirurgie besonders schwer?
Dr. Stephan Günther: Richtig. Die Entwicklung, dass jeder approbierte Arzt auch Intimchirurgie anbieten darf, wurde von vielen Fachärzten mit Sorge betrachtet. Denn mit der Zahl der Anbieter intimchirurgischer Eingriffe stieg auch die Zahl der missglückten Operationen. Nicht immer lassen sich misslungene Ergebnisse im Genitalbereich korrigieren - und so manch eine Patientin bereute im Nachhinein ihre Arztwahl.
PdS: Wie kann Ihre Organisation Frauen helfen, die z.B. eine Schamlippenkorrektur oder einer Hymenrekonstruktion in Erwägung ziehen?
Dr. Stephan Günther: Wir wollen die Qualität intimchirurgischer Beratungen und Eingriffe kontinuierlich verbessern und bei der Suche nach dem richtigen Arzt unterstützen. Erklärtes Ziel der Deutschen Gesellschaft für Intimchirurgie und Genitalästhetik ist es zudem, interessierten Patienten sachlich fundierte Informationen über die geplante Behandlung an die Hand zu geben, um jedem Patienten seine eigene vernünftige Entscheidung für oder gegen einen Eingriff zu ermöglichen.
PdS: In welcher Form profitieren Ärzte von der Gesellschaft für Intimchirurgie und Genitalästhetik e.V.?
Dr. Stephan Günther: Unsere Gesellschaft möchte Ärzten fachübergreifend die Möglichkeit zur Aus- und Fortbildung bieten und wissenschaftlich fundierte Leitlinien entwickeln. Qualitätsstandards und qualifizierte Aus- und Fortbildungen in den Techniken der Intimchirurgie sind dringend erforderlich - und genau dieses hat sich die Deutsche Gesellschaft für Intimchirurgie und Genitalästhetik e.V. auf die Fahnen geschrieben. Neben der stetigen Weiterentwicklung der Operationsverfahren und dem fachübergreifenden Erfahrungsaustausch sammelt die Gesellschaft Fallstudien über Komplikationen und wertet diese aus, um Fehlerursachen zu finden und diese künftig zu vermeiden. Und die Gesellschaft organisiert Workshops und OP-Kurse zur Aus- und Weiterbildung in den verschiedenen operativen Eingriffen.
PdS: Herr Dr. Günther, war Ihnen die Gründung der Gesellschaft auch deswegen ein Anliegen, weil Sie das Image der Intimchirurgie in Deutschland verbessern, die Genitalchirurgie aus der „Schmuddelecke" befreien möchten?
Dr. Stephan Günther: Letztendlich haben Intim-Operationen die gleiche Daseinsberechtigung wie alle anderen ästhetischen Eingriffe - z.B. Brustvergrößerungen oder Fettabsaugungen - oder sind in vielen Fällen sogar medizinisch notwendig. Solche Behandlungen als moralisch verwerflich abzulehnen, hilft den betroffenen Patienten nicht im Geringsten, sondern schadet ihnen vielmehr.
Herr Dr. Günther, vielen Dank für Ihre informativen Ausführungen zum Thema Intimchirurgie.
Deutsche Gesellschaft für Intimchirurgie und Genitalästhetik e.V.
Königsallee 24
40212 Düsseldorf
www.dgintim.de
info@dgintim.de
Letzte Aktualisierung am 06.11.2012.