Über 5.000 Frauen haben geklagt – zu Recht? Der Hintergrund: Brustvergrößerungen sind seit einiger Zeit in der Schönheits-Chirurgie der Renner. Für manche Frauen ist es ein Rettungsanker nach Verletzungen oder Krankheiten, für andere eine reine Frage des Selbstbewusstseins, weil sie ihren Busen für zu klein halten.
Warum sich auch immer jemand für diese Behandlung entscheidet: er (oder seine Krankenkasse) zahlt dafür in der Regel viel Geld, und darf ordentliche Arbeit und Qualität erwarten. Doch genau hier hat sich die Firma Poly Implant-Prothese kriminell verhalten. Der Firmengründer, Claude Mas, konnte nur deshalb Millionen verdienen, weil er nicht hochwertiges Nusi-Gel verwendete, sondern billiges Silikon. Die Folge: Gesundheitsschäden durch Entzündungen und kaputte Implantate.
Inzwischen wurde bekannt, dass rund eine halbe Million Frauen aus 60 verschiedenen Ländern solche minderwertigen Brustimplantate des Herstellers erhielten. Allein in Deutschland sind über 15.000 Patientinnen betroffen. Über 5.000 von ihnen klagten jetzt – heute begann der Prozess gegen den 73-jährigen. Auch einige seiner Mitarbeiter sitzen auf der Anklagebank – angedroht sind ihnen bis zu fünf Jahre Haft.
Am Prozess beteiligt sind nicht nur viele der betrogenen Frauen, sondern auch mehrere hundert Anwälte, die sich über die Ergebnisse der Ermittlungen streiten. Verklagt sind die Verantwortlichen vor allem wegen Betrugs, aber auch wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Der Austausch des Materials hatte sich für die Firma gelohnt - denn der Preis liegt um ein 10faches höher, wenn das Gel verwendet wird, dass die Betrüger beim Patienten abrechneten. Vor dem Hintergrund, dass das Silikon eventuell sogar Krebs auslösen könnte, hatten die Gesundheitsbehörden im Jahr 2011 Alarm geschlagen, und die Frauen aufgerufen, sich die Implantate entfernen zu lassen. Andere Länder verzichteten darauf, und rieten den Damen dazu, sich engmaschig kontrollieren zu lassen. So zum Beispiel die zuständigen Behörden der Schweiz. Die Opfer könnten auf eine Entschädigung hoffen, wenn der Betreiber der Betrugsfirma nicht sein Geld rechtzeitig bei Seite geschafft hätte und nun als pleite gelten würde.
Manche Schönheitschirurgen, so nimmt man an, haben davon gewusst, und dennoch mit den Brustimplantaten gearbeitet. Deshalb sollten auch sie verklagt werden. In dem Zusammenhang wurden Stimmen laut, dass die EU einen Entschädigungsfonds für Opfer diverser Medizinprodukte schaffen solle.
Das eingesetzte Silikon wäre für die Verarbeitung in der Industrie vorgesehen gewesen. Ein Chemiegroßhändler, der PIP belieferte, hat dies bestätigt. Der Angeklagte gibt zu, gewusst zu haben, was er da riskiert. Aber die Einsparung von rund einer Million pro Jahr war dann wohl doch zu verlockend.
Experten haben inzwischen festgestellt, dass das Silikon nicht nur gefährlich ist, wenn die Implantate Risse aufwiesen und das Material austritt, sondern auch bei intakten Implantaten. Selbst in diesem Fall sind Entzündungen und Schwellungen der Lymphknoten möglich. Geklagt hat auch die Mutter eines Krebsopfers, das entsprechende Implantate trug. Dies war der Grund, dass sich viele Behörden dazu entschlossen, zu Rückoperationen zu raten. Zwar gibt es unter den Betroffenen einige Krebserkrankungen, aber ein Zusammenhang, so wird immer wieder betont, sei nicht nachweisbar.
Warum der Betrug so lange geheim gehalten werden konnte, wird ebenfalls Gegenstand der Gerichtsverhandlung sein. Dabei gerät der TÜV Rheinland ins Visier – und ebenfalls auf die Anklagebank. Denn dort war das Produkt geprüft worden. Allerdings gab der Betreiber von PIP inzwischen zu, aufgrund der Vorankündigung des Prüftermins durch den TÜV, alles in betrügerischer Absicht getan zu haben, damit der Schwindel nicht auffliegt.
Wie es für die betroffenen Frauen und die Angeklagten ausgeht, darf mit Spannung erwartet werden.
Letzte Aktualisierung am 18.04.2013.