Einst galt ästhetisch-plastische Chirurgie als extreme Maßnahme und war fast verpönt – heute ist sie fast schon Alltag. In einigen Ländern und Gesellschaftskreisen gilt Frau heute bereits als Außenseiterin, wenn sie keine chirurgischen Korrekturen durchführen lässt.
Die meisten Frauen gingen bislang davon aus, dass sie ab Mitte 40 das Gesicht und den Körper haben, den sie – im Guten wie im Negativen – verdienen. Erschlafftes Gewebe, Falten und Fältchen, schlichtweg Spuren eines bewegten Lebens.
Dieses „normale“ altersgemäße Erscheinungsbild verwischt sich offenbar allmählich: Viele Frauen in dieser Altersgruppe verfügen wieder über glatte, straffe Haut und sind faltenfrei – allerdings fällt ihnen entspanntes Lächeln nun etwas schwerer.
Doch das scheint mittlerweile der Norm zu entsprechen – man hat „etwas machen lassen“. Nicht etwa, weil man sich selbst hasst, sich nicht akzeptieren könnte, weil man eitel wäre oder panische Angst vor dem Alter hätte, nein, weil es eben heute dazugehört. Frauen neigen ohnehin dazu, sich gnadenlos zu vergleichen und mit sich selbst unzufrieden zu sein.
Bergen Schönheitsbehandlungen gar Suchtgefahr? Celebrities leben es vor. Bei ersten Spuren von Alter oder "Erschöpfung" helfen Vitamininjektionen, die zu einem strahlenden, vitalen und frischeren Aussehen verhelfen. Später folgen Unterspritzungen mit Hyaluronsäure für mehr Fülle in bestimmten Gesichtspartien, im nächsten Schritt wird dann massiv gestrafft, abgesaugt, angefüllt, die Natur korrigiert.
Besonders Frauen, die im öffentlichen Leben stehen, möchten sich besser fühlen, indem sie besser aussehen, und lassen sich das viel kosten.
Experten für Mode, Psychologen, Philosophen, Rechtsanwälte und Mediziner debattieren mittlerweile über die Veränderungen des „Schönheitsbildes“ und den Einsatz der Mittel, um diesem Ideal gerecht zu werden. In den Medien sind kaum noch natürliche, unmanipulierte Fotos zu sehen. Welche Folgen hat dies auf lange Sicht für die Selbstwahrnehmung und den Begriff der Attraktivität in der Gesellschaft? Die Schlussfolgerung, dass Schönheit und Perfektion automatisch zu mehr Glück und Erfolg führen, sitzt bereits tief im allgemeinen Bewusstsein.
Die Zahlen sprechen für sich – in diesem Jahr wurden doppelt so viele ästhetisch-plastische Eingriffe getätigt wie etwa im Jahr 2000. Doch hautstraffende Injektionen und massivere Eingriffe gehören in eine andere Kategorie als die Wahl eines passenden Lippenstiftes, so sagen kritische Stimmen.
Seriöse ästhetisch-plastische Chirurgen setzen Grenzen – sie plädieren für einen Realitäts-Check, schon bevor ein Eingriff geplant wird: Wieviel Veränderung entspring dem eigenen Wunsch, und wieviel einem sozialem Druck? Die potentiellen Risiken müssen immer im Blickfeld bleiben und gegen die Vorteile abgewogen werden. Der Patient muss über die Grenzen der Möglichkeiten aufgeklärt werden und zudem sollte er zum Zeitpunkt des Eingriffs psychisch stabil sein.
aktualisiert am 11.08.2015