Unter dem Begriff Dysgnathie wird insgesamt eine Fehlstellung der Zähne, des Kiefers oder des gesamten Kausystems bezeichnet. Diese Anomalien können neben der Zahnstellung auch die Verzahnung an sich, die Formgebung des Kiefers, deren Lage oder Einbettung in den Schädel betreffen.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen angeborenen und erworbenen Zahnfehlstellungen, wie sie etwa nach einem Fahrradunfall in der Kindheit die Folge sein können. Die verschiedenen Arten von Zahnfehlstellungen werden in der Schulmedizin in sogenannte Angle-Klassen eingeteilt. Diese Einteilung geht auf einen US-amerikanischen Kieferorthopäden zurück.
Die Zahnmedizin unterscheidet drei Angle-Klassen, wobei die Klasse II weiter unterteilt werden kann. Das Angle-System richtet sich im Wesentlichen danach, wie die ersten Backenzähne (sogenannte Sechsjahrmolaren) der oberen und unteren Zahnreihe zueinander stehen. Folgende Formen gibt es nach Angle:
Bei einer Dysgnathie der Angle-Klasse I handelt es sich um eine Fehlstellung, bei der der vordere Höcker des oberen ersten Backenzahns zwischen den Höckern des unteren ersten Backenzahns zu liegen kommt.
Bei der Angle-Klasse II liegt bei geschlossenem Kiefer der vordere Höcker des oberen ersten Backenzahns vor dem vorderen Höcker des unteren ersten Backenzahns. Bei der Unterform Angle II/1 sind unter anderem die oberen Frontzähne deutlich nach vorne gekippt, wobei aber auch das Gaumengewölbe höher als üblich ausfallen kann. Diese Art der Kieferfehlstellung tritt vor allem dann auf, wenn die Betroffenen in ihrer Kindheit zu lange und zu oft am Daumen gelutscht haben. Der Grund dafür liegt darin, dass eine weiche Kraft über einen längeren Zeitraum gesehen durchaus auch ein hartes Material wie einen Knochen formen kann, das gilt insbesondere in der Wachstumsphase. Der Angle-Typ der Klasse II/2 beschreibt Fehlstellungen, bei denen die oberen Frontzähne stark in Richtung des Gaumens gekippt sind.
In der Angle-Klasse III liegt der vordere Höcker des oberen ersten Schneidezahns hinter dem hinteren Höcker des unteren ersten Schneidezahns. Hier handelt es sich oft um Fehlstellungen, bei denen die unteren Schneidezähne vor den oberen stehen (Progenie).
Einer der größten Nachteile in der Einteilung nach dem Angle-System besteht darin, dass die Betrachtung lediglich zweidimensional entlang einer Raumachse erfolgt. Weil Okklusionsprobleme (Probleme, die beim Zusammenbeißen auffallen) jedoch in erster Linie dreidimensional erfolgen, können weder Abweichungen in andere Raumachsen noch asymmetrische Abweichungen erfasst werden. Ein weiterer Schwachpunkt besteht darin, dass diese hauptsächlich beschreibende Klassifizierung theoretisch nur unzulänglich erfasst ist. Deshalb wurden auch mehrere Versuche unternommen, um das Angle-System, zu ersetzen. Andererseits wird die Angle-Einteilung gerade dank ihrer Einfachheit geschätzt.
Sind die Symptome stark ausgeprägt, kann der Mundraum seine Funktionen nicht vollständig erfüllen. Beispielsweise ist es für die Betroffenen oft nicht möglich, die Nahrung gründlich zu kauen. Dadurch ist wiederum die Verdauung beeinträchtigt.
Nicht in jedem Fall, in dem die Betroffenen unter einer Dysgnathie leiden, ist eine zahnärztliche oder chirurgische Behandlung notwendig. Diese ist unter anderem gegeben, wenn es zu Kiefergelenkbeschwerden kommt, die Beißfunktion eingeschränkt ist oder wenn andere Funktionsstörungen bestehen wie:
Bei etwa fünf Prozent aller Menschen, die unter einer Kieferfehlstellung leiden, ist diese auch behandlungsbedürftig.
Zahnfehlstellungen treten in einer bestimmten Häufigkeit auf. Das sind die üblichsten:
Grundsätzlich sollten Fehlstellungen von Zähnen oder am Kiefer idealerweise im Kindes- oder Jugendalter korrigiert werde, weil die Behandlungen dann sehr viel schneller und unkomplizierter durchgeführt werden können, als es im Erwachsenenalter der Fall ist. Der Grund besteht darin, dass das Kieferwachstum in diesem Alter noch nicht abgeschlossen ist, weshalb sich entsprechende Maßnahmen hier gezielter umsetzen lassen. Im Erwachsenenalter ist es hingegen in vielen Fällen notwendig, dass durch einen Kieferchirurgen ein zusätzlicher und ergänzender Eingriff erfolgt, wodurch die Operation an sich erst richtig abgeschlossen werden kann.
Letzte Aktualisierung am 03.08.2017.