Als Dysgnathie werden Fehlstellungen der Zähne bezeichnet. Diese Definition erfasst nicht ausschließlich die Zähne, sondern auch andere Ursachen von Fehlstellungen – wie Anomalien im Kieferbereich. Letztere führen dazu, dass die Position der Zähne von der Norm abweicht. Die Ausprägung und Stärke der Dysgnathie kann variieren. Ein wirklich „perfektes“ Gebiss ist im Übrigen eher selten. Es wird nur für etwa ein Fünftel der Menschen davon ausgegangen, dass hier alles in Ordnung ist.
Behandlungsbedürftig sind Zahnfehlstellungen jedoch nicht zwangsläufig. Vielmehr kommt es auf die Rahmenbedingungen an. Für Patienten steht zudem eine weitere Frage im Raum, nämlich diejenige nach der Übernahme der Kosten der Behandlung.
Der Begriff Dysgnathie wird oft pauschal für Zahnfehlstellungen verwendet. Allerdings handelt es sich bei Dysgnathien um Fehlentwicklungen des Kieferapparats. Die Entstehung von Anomalien kann von Bewegungen des Zahns im Zahnfach (der Alveole) ausgehen oder durch Fehlentwicklungen der Kiefer ausgelöst werden.
Daher unterscheidet die Zahnheilkunde auch:
Wie sehen Beispiele aus der Praxis eines Zahnarztes aus? Eine dentoalveoläre Fehlstellung wäre zum Beispiel das Beschwerdebild, welches durchs Daumenlutschen bei Kindern entsteht. Durch diese sogenannte Parafunktion (nicht natürliche Verwendung) können vorstehende obere Schneidezähne entstehen.
Als Beispiel für skelettale Fehlstellungen kann die maxilläre Retrognathie angesehen werden. Hierbei handelt es sich um eine Erkrankung mit zu schmal entwickeltem Oberkiefer – bei normaler Entwicklung des Unterkiefers. Was entsteht, ist ein inverser Überbiss, bei dem die Zähne des Unterkiefers über die Zahnreihe des Unterkiefers hinausragen. Der Unterkiefer steht weiter nach vorne als der Oberkiefer, womit es sich (vor allem nach älterer Literatur) um eine Form der Progenie handelt.
Prinzipiell ist es in der Behandlungspraxis nicht immer eindeutig möglich, zwischen der Fehlstellung – sprich der Anomalie – und einem ausgeglichenen Gebiss (Eugnathie) zu unterscheiden. Entsprechend ist nicht jede Dysgnathie sofort behandlungsbedürftig.
Vielmehr muss an diesem Punkt der Zahnarzt über den weiteren Ablauf entscheiden. Kommt es zu keiner fundamentalen funktionalen Beeinträchtigung oder sind keine Folgeschäden zu befürchten, kann für eine milde Dysgnathie vorerst von einer Behandlung abgesehen werden.
Anders sieht die Situation aus, wenn:
In diesen Fällen liegt ein Anlass für die Behandlung der Fehlstellung vor. Pauschale Einschätzungen sind allerdings schwierig. Es kommt letztlich auf den konkreten Einzelfall an.
Die Behandlung von Dysgnathien kann entweder kieferorthopädisch (Korrektur von dentoalveolären Fehlstellungen mithilfe einer Zahnspange) oder operativ (Kieferumstellung, skelettale Fehlstellung) erfolgen. Möglich sind Kombinationsbehandlungen, in denen beide Varianten zum Einsatz kommen.
Im Zusammenhang mit Behandlungen von Dysgnathien taucht immer wieder der Begriff KIG auf. Dahinter verbirgt sich der Begriff Kieferorthopädische Indikationsgruppe. In der Zahnmedizin sind insgesamt fünf dieser Gruppen gebräuchlich – KIG 1 bis KIG 5. Die Kieferorthopädische Indikationsgruppe 1 bedeutet eine sehr schwach ausgeprägte Fehlstellung. Innerhalb der einzelnen KIG wird zwischen weiteren Graden (A bis P) unterschieden. Aus Patientensicht ist die KIG irreführend. Hintergrund: Diagnosen innerhalb KIG 1 und KIG 2 werden von den Krankenversicherungen als nicht behandlungsbedürftig angesehen. In vielen Fällen handelt es sich um eine Fehleinschätzung, welche eher darauf zurückzuführen ist, dass im Rahmen dieser Diagnosen keine Leistungspflicht für die Krankenkassen besteht. Das heißt in der Praxis, dass die Behandlung einer Dysgnathie erst erfolgt, wenn wenigstens KIG 3 vorliegt. Anderenfalls ist die Therapie vom Patienten selbst zu zahlen, auch wenn sie bei KIG 2 meist empfohlen wird.
Die Diagnose und die KIG sind zwei wesentliche Faktoren, die für oder gegen eine Behandlung von Dysgnathien sprechen. In der Zahnmedizin wird eine weitere Komponente als wesentlich angesehen: das Alter.
Prinzipiell wird in der Zahnheilkunde heute über kieferorthopädische Maßnahmen erst in der zweiten Phase des Zahnwechsels nachgedacht. Dies bedeutet, dass etwa ab dem 8. Lebensjahr entsprechende KFO-Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. Bei einigen Diagnosen kann die Behandlung allerdings früher beginnen. Beispiele für diese Frühbehandlung wären:
Behandlungen vor dem 4. Lebensjahr sind eher unüblich. Ein weiterer wichtiger Zeitpunkt ist das 18. Lebensjahr, da ab diesem Moment die Leistungspflicht der Krankenkasse nur noch eingeschränkt besteht.
aktualisiert am 11.01.2018