Als Dysgnathien werden Zahnfehlstellungen bezeichnet – ohne Form und Ursache des Fehlbisses genauer zu beschreiben. Abweichungen vom Normalgebiss treten aufgrund verschiedener Auslöser aus. Neben reinen Verschiebungen der Zähne, etwa aufgrund „schlechter Angewohnheiten“, kann die Dysgnathie auch skelettal (aufgrund einer Fehlstellung im Kieferknochen) verursacht werden. Letztere bedeutet nicht automatisch sofort eine operative Behandlung.
In der Zahnmedizin ist das Spektrum der Zahnfehlstellungen sehr breit. Für die Einteilung wird heute häufig das System der Angle-Klassen benutzt, welche die Lage der beiden Zahnreihen zueinander berücksichtigt.
Grundsätzlich können Fehlbisse in ihrem Schweregrad fließend sein, was die Abgrenzung zur Eugnathie – dem optimal entwickelten Kausystem – schwierig macht.
Welche Zahnfehlstellung nach Angle vorliegt, lässt aber noch keine Rückschlüsse darauf zu, ob die Dysgnathie operativ behandelt werden muss oder nicht. An diesem Punkt spielen die Auslöser eine wichtige Rolle.
Grundsätzlich kann ein Fehlbiss durch Zahnbewegungen im Zahnfach ausgelöst werden. In diesem Fall liegt eine dentoalveoläre Fehlstellung vor. Sofern Fehlentwicklungen des Kiefers ursächlich sind, entsteht eine skelettale Fehlstellung. In der Zahnmedizin können beide Dysgnathien gleichzeitig auftreten.
Ein Beispiel ist die mandibuläre Prognathie: Diese beschreibt eine Überentwicklung des Unterkiefers. Hierbei handelt es sich um eine Form der Progenie, also einer Fehlstellung, bei welcher die Schneidezähne der unteren Zahnreihe vor den oberen Schneidezähnen schließen. Folge der Prognathie ist häufig eine Verengung des Oberkiefers, die Zähne bewegen sich dort Richtung Zungenmitte.
Sobald eine Zahnfehlstellung durch den Zahnarzt erkannt wird, zieht dieser Fachärzte hinzu. Erste Ansprechpartner sind kieferorthopädisch ausgebildete Spezialisten. Diese erkennen, welche Dysgnathie vorliegt und wie ausgeprägt die Fehlstellung ist.
Verlagerungen der Zähne selbst (dentoalveoläre Fehlstellungen) lassen sich heute sehr gut ohne OP (konservativ) behandeln. Mögliche Ansätze sind hier:
Diese beschreiben Methoden aus der Kieferorthopädie, mit der die Fehlstellung allmählich korrigiert werden kann. Die Orthodontie wäre beispielsweise der Einsatz einer Zahnspange, um die Zähne zu bewegen. Auf der anderen Seite kann mittels dentofazialer Orthopädie Einfluss auf das Wachstum der Knochenstrukturen des Kiefers genommen werden (etwa mit der sogenannten Delaire-Maske).
Am Beispiel der Progenie, welche durch Fehlentwicklungen eines Kiefers ausgelöst wird, wäre der Einsatz solcher Maßnahmen denkbar, um den überentwickelten Kiefer in seiner Entwicklung zu hemmen – und den unterentwickelten Kiefer im Wachstum zu fördern.
Ist keine Korrektur der Dysgnathie durch kieferorthopädische Maßnahmen wie die Orthodontie mehr möglich oder der gewünschte Behandlungserfolg unwahrscheinlich, bleibt noch die OP.
Zahnfehlstellungen sollten früh behandelt werden. Dieser Grundsatz verfolgt ein Ziel: Je früher die Therapie beginnt, umso besser lassen sich entsprechende Entwicklungsimpulse setzen. Für die Progenie gehen die kieferorthopädischen Leitlinien davon aus, dass eine Frühbehandlung (nach dem 4. Lebensjahr) angezeigt ist.
Viele andere Befunde werden in der zweiten Phase des Zahnwechsels in Angriff genommen. Leider wird der optimale Zeitpunkt mitunter verpasst oder Patienten arbeiten nicht wie gewünscht mit, was dem Therapieerfolg am Ende abträglich ist.
Sobald das Wachstum abgeschlossen und eine Dysgnathie noch vorhanden ist, bleibt oft nur die chirurgische Kieferorthopädie. Hier wird die Fehlstellung operativ behandelt. In welcher Form die Behandlung hier erfolgt, lässt sich am Ende nur vor dem Hintergrund des Einzelfalls einschätzen.
In der Praxis ist häufig eine kombinierte kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung anzutreffen. Diese besteht aus drei Phasen:
Dieser Schritt soll die Normalstellung der Zähne wiederherstellen. Vor dem Hintergrund der Dysgnathie haben sich die Zähne in der Regel verschoben (es besteht eine Kompensationsstellung).
In Vollnarkose wird eine chirurgische Kieferverlagerung durchgeführt. In der Vorbereitung wird der Eingriff hinreichend durch Abdrücke und bildgebende Maßnahmen geplant.
Dieser Schritt ist notwendig, um die Zahnreihen optimal aufeinander abzustimmen. Hier wird wieder mit den Methoden der Kieferorthopädie (KFO) gearbeitet. Dieser Behandlungsschritt kann sich auf etwa sechs Monate ausdehnen.
aktualisiert am 21.02.2018