Für die Entstehung einer Progenie – eines umgekehrten Überbisses – können verschiedene Ursachen verantwortlich sein. Die Zahnmedizin weiß heute beispielsweise, dass ein früher Zahnverlust den Oberkiefer in seiner Entwicklung nachteilig beeinflussen kann. Bekannt ist inzwischen aber auch das Potenzial eines frühen Behandlungsbeginns. Je zeitiger die Progenie diagnostiziert und therapiert wird, umso besser sieht die Prognose aus – auch im Hinblick auf den weiteren Behandlungsverlauf.
Als Progenie werden in der Zahnheilkunde heute zwei Krankheitsbilder bezeichnet: die mandibuläre Prognathie und die maxilläre Retrognathie. Beide sind durch die Ausbildung eines umgekehrten Überbisses gekennzeichnet.
Bei einem gesunden Gebiss stehen die oberen Schneidezähne leicht vor den unteren Frontzähnen. Im Fall einer mandibulären Prognathie oder maxillären Retrognathie sieht die Situation anders aus. Hier ragen die unteren Frontzähne deutlich über (vor) die oberen Schneidezähne.
Kieferfehlstellungen wie die Progenie werden in ihrer Entstehung durch die Gene beeinflusst. Darüber hinaus kann die maxilläre Retrognathie auch durch
begünstigt werden. Es entwickelt sich in der Folge ein verkümmerter Oberkiefer – bei normal ausgeprägten Unterkiefer. Im Fall einer mandibulären Prognathie liegt hingegen eine Entwicklungsstörung des Unterkiefers vor. Dieser ist überentwickelt, zwischen den Zähnen treten oft Lücken auf und die sogenannte Lippentreppe zeigt sich.
Eltern, bei denen bereits eine Progenie diagnostiziert wurde, sollten der Zahngesundheit ihrer Kinder besondere Aufmerksamkeit schenken. Da die Erkrankung eine genetische Komponente hat (dominanter Erbgang), besteht das Risiko, dass Kinder ebenfalls eine Dysgnathie (Fehlbiss) entwickeln.
Die Behandlungsleitlinien in der Kieferorthopädie sehen für viele Fehlstellungen einen Behandlungsbeginn erst in der Phase des Zahnwechsels vor. Für schwerwiegende Diagnosen – zu denen auch die mandibuläre Prognathie und maxilläre Retrognathie gehören – werden allerdings Ausnahmen gemacht. Hierfür ist bereits eine sogenannte Frühbehandlung möglich. Dies bedeutet, dass kleine Patienten bereits ab vier Jahren kieferorthopädisch behandelt werden dürfen. Die Frühbehandlung kommt aber nur in Frage, wenn eine gewisse Schwere der Erkrankung zu erkennen ist (zutreffend ist dies bei einem Behandlungsbedarfsgrad M4 oder M5). In diesen Fällen darf von der sonst üblichen Maßgabe, dass erst in der zweiten Phase des Zahnwechsels mit der Behandlung begonnen wird, abgewichen werden.
Mandibuläre Prognathie und maxilläre Retrognathie sind Diagnosen, die im weiteren Verlauf – sofern sie unbehandelt bleiben – schwerwiegende Folgen haben können. So besteht die Gefahr, dass
erschwert werden. Parallel ist vom Entstehen weiterer Zahnfehlstellungen auszugehen. Durch das „Überschieben“ der Zähne im Unterkiefer wird der Oberkiefer eingeengt, was zu weiteren Problemen führt.
Um ein Fortschreiten der Progenie in diese Richtung zu verhindern, greifen Zahnarzt oder Kieferorthopäde früh mit geeigneten Mitteln ein. In der Frühbehandlung wird unter anderem auf Zahnspangen (Bracketsysteme) gesetzt, um die Fehlentwicklung der Kiefer zu verhindern. Gleichzeitig steht hier eine weitere Zielstellung im Raum. Durch den frühen Behandlungsbeginn soll der weitere Therapieverlauf günstig beeinflusst werden.
Bleibt die Progenie bis zum Abschluss des Wachstums unbehandelt, lässt sich der gewünschte Therapieerfolg oft nur noch durch eine Kombination aus Kieferorthopädie und Kieferchirurgie erreichen. Diese Behandlung ist wesentlich aufwendiger – und durch die OP auch mit entsprechenden Risiken und Schmerzen verbunden.
Damit die Behandlung der Progenie so früh bei Kindern Erfolg haben kann, müssen Eltern und Nachwuchs an einem Strang ziehen. Gerade die Mitarbeit der Kinder – etwa bei der Abguss-Abnahme – kann zum Problem werden. Aufgrund der Tatsache, dass sich der zeitige Therapiestart bei mandibulärer Prognathie und maxillärer Retrognathie auszahlt, sollten Eltern den Maßnahmen nicht ablehnend gegenüberstehen. Vielmehr ist zu bedenken, wie die Behandlung aussieht, wenn eine Therapie zu spät beginnt.
aktualisiert am 27.08.2019