Die Progenie gehört zu den Fehlbissen. Letztere bezeichnet die Zahnmedizin auch als Dysgnathie. Die Besonderheit der Progenie ist ein umgekehrter Überbiss. Die unteren Frontzähne liegen dabei vor den oberen Schneidezähnen. Diese Fehlentwicklung wird in den meisten Fällen vererbt, es gibt aber auch andere Ursachen. Oftmals spielen mehrere Faktoren eine Rolle bei der Entstehung. Patienten, bei denen der Zahnarzt eine Progenie diagnostiziert, müssen sich in der Regel auf eine mehrjährige Behandlung einstellen. Im Idealfall beginnt die Therapie noch im Kindesalter. Hier gehört die Progenie sogar zu denjenigen Dysgnathien, welche die Aufnahme einer Frühbehandlung rechtfertigen.
Bei einer Progenie handelt es sich um einen Fehlbiss, der auf zwei unterschiedliche Arten auftreten kann.
Als unechte Progenie wird eine Unterentwicklung des Oberkiefers bezeichnet. Der Unterkiefer entwickelt sich hierbei normal. Das Entstehen dieses Krankheitsbildes kann auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden – wie:
In der Zahnmedizin ist für diese Form der Progenie auch die Bezeichnung maxilläre Retrognathie häufig anzutreffen. Neben den bereits genannten Ursachen kann die unechte Progenie auch direkt erblich bedingt sein. Das äußere Erscheinungsbild wird bei Patienten durch ein vorstehendes Kinn und das konkave Profil geprägt.
Eine mandibuläre Prognathie oder echte Progenie liegt vor, wenn sich der Oberkiefer des Patienten anatomisch normal entwickelt, der Unterkiefer sich hingegen überentwickelt. Diese Form der Progenie gehört zu den historisch gut dokumentierten Fehlbissen und war unter anderem in der Linie der Habsburger verbreitet. Aufgrund der besonderen Häufung in diesem Adelsgeschlecht liegt der Verdacht nahe, dass die mandibuläre Prognathie sehr stark von einer genetischen Komponente in ihrer Entstehung beeinflusst wird. In den meisten Fällen ist die Erkrankung erblich bedingt, im Einzelfall kann bei Betroffenen auch eine andere Ursache vorliegen.
Heute wird für die echte Progenie ein polygenetisches Ursachenbild diskutiert (vererbbar über mehrere Gene). Besonders durch die hervorstehende Unterlippe – die sogenannte positive Lippentreppe – ist die mandibuläre Prognathie sehr gut zu erkennen. Die Vererbung dieser Fehlentwicklung des Kausystems geschieht dominant. Wenn also ein Elternteil die entsprechenden Gene weitergibt, prägt sich bereits die Progenie beim Kind aus.
Die Progenie entwickelt sich zwar erst allmählich bis zu ihrer endgültigen Ausprägung, ist für den Zahnarzt aber bereits früh – im Kindesalter – zu erkennen. Sofern eine mandibuläre Prognathie oder maxilläre Retrognathie unbehandelt bleibt und sich voll entwickeln kann, sind verschiedene Folgeerscheinungen wahrscheinlich.
Progenie beeinflusst unter anderem:
Parallel können sich bei den Prognathien weitere Fehlbisse entwickeln, was eine abnorme Abnutzung der gesunden Zahnsubstanz nach sich zieht. In der zahnmedizinischen Praxis sind des Weiteren Probleme mit den Kiefergelenken dokumentiert, was für Patienten Schmerzen und Funktionsstörungen nach sich ziehen kann.
Um weitere Beeinträchtigungen durch eine mandibuläre oder maxilläre Prognathie zu verhindern, müssen die Fehlentwicklungen der Kiefer verhindert/behandelt werden. Hierfür stehen der Zahnmedizin verschiedene Ansätze zur Verfügung – in Form der:
Maßnahmen im Bereich der Kieferorthopädie (KFO) umfassen unter anderem den Einsatz von Spangen (Multibracketsysteme) oder Elementen wie dem Funktionsregler nach Fränkel. Um einen möglichst umfassenden Therapieerfolg zu erreichen, muss die Progenie nicht nur frühzeitig behandelt werden. Besonderes Augenmerk fällt auch der Diagnose zu.
Sofern sich mithilfe der Kieferorthopädie kein zufriedenstellender Behandlungserfolg erreichen lässt, wird diese mit operativen Maßnahmen, der Kieferchirurgie, kombiniert. Das Ziel besteht darin, die anatomisch unrichtige Stellung der Kiefer zu korrigieren. In der Kieferchirurgie kann hierfür zum Beispiel mit knochenabtragenden Maßnahmen, der Osteotomie, gearbeitet werden.
Mandibuläre Prognathie oder maxilläre Retrognathie sind zwei Dysgnathien, die in der Zahnmedizin bereits seit Jahrhunderten bekannt sind. Besonders im Zusammenhang mit europäischen Adelshäusern lässt sich die Häufung der Progenie auf eine genetische Komponente zurückführen. Heute wird davon ausgegangen, dass ein dominanter Erbgang in der Weitergabe der Prognathie eine Rolle spielt. Aber insbesondere eine unechte Progenie kann auch durch externe Faktoren in ihrer Entstehung beeinflusst werden.
aktualisiert am 19.09.2019