Botulinumtoxin kennen die meisten Menschen als Nervengift, welches sich Promis von Schönheitschirurgen unter Handelsnamen wie Botox® unter die Haut spritzen lassen. Doch von Botulinumtoxin gibt es noch weitere Formen außer dem hierfür eingesetzten Botulinumtoxin Typ A.
So ist Botulinumtoxin Typ B die für die medizinische Anwendung beim sogenannten Schiefhals zugelassen.
Botulinumtoxin kommt damit nicht allein zu ästhetischen Zwecken zum Einsatz. Immerhin kann der Wirkstoff zur Muskelentspannung genutzt werden, um in der Schönheitsmedizin eine optische Faltenreduzierung herbeizuführen oder bei Erkrankungen mit zu starker Muskelaktivität eine Normalisierung des Zustands zu bewirken. BTX B findet demnach bei einem ernsthaften Krankheitsbild Anwendung, um das Leiden der betroffenen Personen zu lindern.
Das Präparat BTX B (Neurobloc®) ist für die Behandlung der zervikalen Dystonie bei Erwachsenen zugelassen. Dabei handelt es sich um eine Bewegungsstörung, nämlich um das sogenannte Schiefhalssyndrom. Gekennzeichnet ist dieses Krankheitsbild von einer abnormalen, unwillkürlichen Kopfstellung sowie Kopfbewegungen, die auf eine Überaktivität der Nacken- und Halsmuskulatur zurückzuführen sind.
Bei Patienten, die unter diesem Krankheitsbild leiden, funktioniert das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Muskeln sowie den dazugehörigen Gegenspielern nicht, sodass es zu einer gleichzeitigen Aktivierung kommt.
Diese Störung nimmt oftmals ein so schweres Ausmaß an, dass die meisten Patienten nicht dazu in der Lage sind, ihren Kopf aktiv in einer normale Haltung zu bewegen. Der Kopf kann dabei unterschiedlich stark zur Seite, nach vorne oder nach hinten gebeugt sein. Insgesamt sind elf Varianten dieses Krankheitsbilds mit unterschiedlichen Kopfstellungen bekannt. Indem Botulinumtoxin B gezielt injiziert wird, um die durch die Störung aktiven Muskeln auszuschalten, kann das Problem behoben werden.
Eine Therapie mit Botulinumtoxin des Typs B ist auch bei den Patienten mit Schiefhals sinnvoll, die gegen das Nervengift des Typs A (wie Botox®) resistent geworden sind. In ihrem Körper haben sich Antikörper gegen Botulinumtoxin A gebildet, sodass das Nervengift die erwartete Wirkung bei diesen Menschen irgendwann verfehlt. Dass Menschen gegen verschiedene Botulinumtoxin-Varianten resistent werden, ist recht unwahrscheinlich, sodass der Wechsel von BTX Typ A zu BTX Typ B in solchen Fällen die Lösung darstellt.
Einige Studien belegen, dass Botulinumtoxin nicht nur im Kampf gegen Falten von Bedeutung ist. Vielmehr hat eine Studie die Wirksamkeit von Botulinumtoxin des Typs B bei einer Reihe von Bewegungsstörungen und den damit zusammenhängenden Komplikationen hervorgehoben. Patienten, die durch Multiple Sklerose, ein Schädel-Hirn-Trauma oder einen Schlaganfall bedingt von spastischen Bewegungsstörungen betroffen sind, können zum Beispiel von BTX B profitieren. Mit dieser Dosis ließe sich ihre Spastik in den Beinen oder Armen lindern. Zusätzlich haben die Probanden der Studie von einer Schmerzlinderung berichtet.
Dennoch wird der Einsatz von Botulinumtoxin B bei anderen Krankheitsbildern als dem Schiefhals (Off-Label-Behandlung) nicht empfohlen. Da die Sicherheit bei anderen Erkrankungen nicht gewährleistet ist, wird vor der Gabe gewarnt. Das Botulinumtoxin B kann sich im Körper ausbreiten und zu schweren Komplikationen bis hin zu gefährlichen Atemstörungen und Schluckschwierigkeiten führen.
Botulinumtoxin Typ B verhindert, dass es zur Ausschüttung eines Neurotransmitters (Stoffes zur Signalübertragung) namens Acetylcholin kommt. In der Praxis bedeutet dies, dass die Impulsübertragung von den Nerven auf die jeweiligen Muskeln ausgeschaltet wird. Es kommt demnach zu einer Lähmung und Erschlaffung der Muskulatur an der Stelle. Bei Patienten, deren Muskeln spastisch reagieren oder einen Schiefhals bedingen, ist dieser Effekt gewünscht.
Um dieses Ergebnis zu erzielen, wird der zuständige Arzt das BTX B direkt in den jeweiligen Muskel injizieren. Die Anzahl der Einheiten gibt Auskunft über die Wirkung des Mittels. Dabei ist nicht nur die Dosis an den Patienten anzupassen. Vielmehr gilt dies auch für die Frequenz, sprich den Abstand, in dem die Injektionen erfolgen. Eine Botulinumtoxin-B-Injektion stellt schließlich keine dauerhafte Lösung dar.
Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Körper das Nervengift binnen drei bis sechs Monaten abbaut. Spätestens dann ist eine erneute Injektion vonnöten, um die gewünschte Wirkung aufrechtzuerhalten. Wichtig ist bei der Behandlung auch, dass das Toxin nicht in die Blutgefäße gelangt.
Zunächst wird sich der zuständige Arzt an die passende Dosis herantasten. Eine Anfangsdosis besteht meist aus 10.000 Einheiten, welche der Arzt in die zwei bis vier Muskelpartien spritzt, welche am stärksten von der Störung betroffen sind. Sofern dies noch nicht ausreichend ist, können weitere Botulinumtoxin-Einheiten später in die gleichen oder andere Muskeln nachgespritzt werden. Zunächst wird der behandelnde Arzt jedoch mehrere Tage abwarten.
Immerhin kann es ein paar Tage dauern, bis sich die Therapieerfolge mit Botulinumtoxin B bemerkbar machen. Lediglich bei der Ersttherapie wird der Arzt gegebenenfalls eine erneute Injektion in einem Abstand von weniger als ein paar Monaten durchführen. Dieses Vorgehen ist bei allen weiteren Injektionen nicht zu empfehlen, da sich die Möglichkeit, dass die Patienten Antikörper gegen Botulinumtoxin B bilden könnten, deutlich erhöht. Außerdem ist die Therapie bei kürzeren Injektionsabständen schwerer zu steuern.
Bevor eine Botulinumtoxin-B-Injektion erfolgt, gilt es zu prüfen, inwiefern die Patienten bereits Aminoglykoside oder Arzneistoffe nutzen, die sich auf die Übertragung vom Nerv zum Muskel auswirken. Sofern die Patienten an einer bekannten neuromuskulären Erkrankung leiden, ist der Einsatz von Botulinumtoxin B für sie nicht vorgesehen. Eine Kontraindikation (Gegenanzeige) liegt bei folgenden Patienten vor, welche die Botulinumtoxin-B-Behandlung meiden sollten:
Allerdings können die Patienten bei richtigem Einsatz des Mittels beim Schiefhals davon ausgehen, dass sie mit nahezu keinen Nebenwirkungen von BTX B zu kämpfen haben werden. Eine der häufigsten Nebenwirkungen ist Mundtrockenheit, die meist nur ein moderates Ausmaß annimmt. Milde Schluckstörungen gehören zu den weiteren möglichen Nebenwirkungen. Gänzlich ausschließen lassen sich schwerwiegende Nebenwirkungen allerdings nicht.
aktualisiert am 09.05.2019